IFS & Achtsamkeits-Meditation
11/11/2023
Umgang mit dem Inneren Kritiker nach der Internal Family Systems Methode (IFS)
17/11/2023
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11/11/2023
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17/11/2023


Internal Family Systems für Fortgeschrittene (und für Am-Fortschritt-Gehinderte)


Was tun, wenn ein
"Therapie-Macher" Teil
den IFS Prozess blockiert?

 


Manche, die sich auf die Reise nach innen machen, stolpern über ein erstaunlich hartnäckiges Hindernis: Der Teil in uns, der alles „richtig“ machen will, übernimmt auch das "IFS-machen". Er versucht, das "Selbst" zu sein. Das Ergebnis: das Gefühl vergeblicher Anstrengung, kein richtiger Kontakt mit eigenen Teilen, ein "Sich im Kreis drehen". Wenn man zum Beispiel gar keine Teile wahrnehmen kann, könnte es an so einer Konstellation liegen. Was also tun, wenn ein besonders starker „Therapie-Macher“ oder andere das Selbst nachahmende Teile den Prozess führen wollen und wir da einfach nicht rauskommen?


Achtung! Dies ist ein Artikel für Menschen mit IFS-Erfahrung. Ansonsten wird er wahrscheinlich kaum verständlich oder hilfreich sein. 

 

Wenn der „Therapie-Macher“ übernimmt. Über Paradoxien des "Unblending" von Selbst-ähnlichen Teilen.

IFS kann man eigentlich gar nicht "machen". Und doch versuchen wir es. 

Wer seine Innenwelt mit Innerer-Kind-Arbeit oder IFS  erforscht - insbesondere wenn er es alleine macht, kennt das vielleicht: Kaum beginnt die innere Arbeit, ist da auch jemand, der diese "Arbeit" macht.  Ein innerer "Therapie-Macher" Anteil, der alles „richtig“ machen will und aus dessen Augen man die ganze Zeit guckt und versucht, IFS "richtig hinzukriegen". Er will die richtigen Fragen stellen, die passenden Sätze sagen, die perfekte Haltung einnehmen und Teile gut sehen können. Aber er ist nun mal nicht das "Selbst" und daher kann er auch nicht IFS machen und andere Teile, über die er etwas rausfinden will, trauen ihm einfach nicht! Man nennt solche Teile "selbstähnliche Teile" (self-like parts), weil sie das Selbst zu imitieren versuchen. Meist vergeblich.

Das Ganze gibt es auch in einer verschärften Variante. Nämlich, dass so ein "Therapie-Macher"-Teil so sehr zur Persönlichkeitsstruktur gehört, dass man IFS quasi fast nie anders erlebt, als aus den Augen diese Teils, der sich tragischerweise abmüht, es so gut wie das Selbst hinzukriegen. Genauer gesagt: er ist überzeugt, das Selbst zu sein, ahmt es aber nur nach. Nach besten Wissen und Gewissen.

Bei Menschen, die das so erleben, hilft es nichts, die üblichen Interventionen anzuwenden, wie z.B. "Kann Du den Therapiemacher-Teil mal bitten, zu Dir auf die Seite zu gehen?" oder "Was fühlst Du dem Therapiemacher gegenüber?". Schon gar nicht, wenn man IFS mit sich selbst macht (Solo-IFS). Denn der Teil ist so sehr im Zentrum des "seats of consciousness", so sehr derjenige, der durch "die inneren Augen" schaut, dass sich die Frage stellt: wer soll den nu diese schlaue Frage innerlich stellen? Soll der Therapiemacher zu sich selbst sprechen??? "Unblending" (deutsch: "Entschmelzung") von diesem Tail kann manchmal sehr schwer sein. Fast unmöglich. Denn man versucht dann eine "Unblending-Technik" auf den Teil anzuwenden, der alle Techniken richtig anwenden möchte. Dann wird er eben versuchen, die Technik auf sich selbst anzuwenden. Da ist dann erstmal richtiges "Kopfzerbrechen" angesagt! 

(Die folgenden Ausführungen sprechen zwar die Ganze Zeit vom Therapiemacher-Teil, der dem IFS-Prozess im Wege steht, indem er ihn auszuführen versucht. Aber es kann bei Ihnen auch ein Cluster aus verschiedenen Teilen sein oder ein anders gelagertes "Verkeilt Sein", das die Kommunikation mit Teilen behindert. Vielleicht ein Verstehen-wollender Teil. Oder ein v.a. an der Theorie Interessierter Teil. Vieles von dem, was hier diskutiert wird, dürfte wahrscheinlich aber auch dann noch gelten. Ich bleibe jedenfalls erstmal bei "IFS-Macher", "Therapiemacher"- oder einfach nur "Macher"-Teil. Jedenfalls ein selbstähnlicher Teil, der versucht, als Selbst zu agieren. Es aber leider nicht wirklich schafft. Der arme!)

 

Die Paradoxie des Verstehens:

Selbst wenn wir den „Macher-Teil“ gut erkennen, taucht oft direkt der nächste Teil auf, der unbedingt wissen will, warum der Macher-Teil nicht loslassen kann. Wir analysieren, forschen, fragen – und landen wieder im alten Muster: Ein Teil will mentale Kontrolle, die "agency", ein Ergebnis – diesmal über das Verstehen des "Machers".

Der Therapiermacher versucht sich hier vielleicht sogar quasi selbst zu erforschen? Das ist so anstrengend! Und funktioniert einfach nicht. Das Ergebnis: Erschöpfung, Frust und das Gefühl, in einer paradoxen Schleife gefangen zu sein.

 

"Einfach loslassen" kann klappen, kann aber auch "ins Leere" führen.

Ein anderer gut gemeinter Ratschlag ist manchmal: "alles einfach sein zu lassen“, wie es z.B. im Bereich der Achtsamkeit empfohlen wird. Das ist ein guter Ratschlag! Doch das Loslassen kann bei manchen auch in eine Art "Nichts passiert hier", eine Leere führen. Alles "fadet aus" und IFS geht dann auch nicht so recht weiter. Denn das reine Sein-Lassen wurde evtl. sogar von einem inneren Teil übernommen, der alles beruhigt, aber nicht wirklich Kontakt zum Therapiemacher oder anderen Teilen haben möchte. Hauptsache es ist Ruhe im Karton. Das Selbst bleibt weiter verdeckt. Gerade bei Menschen, die viel Achtsamkeitsmeditation machen, kann so eine "distanzierte Beruhigung" oder "Seligkeit" eintreten. Sie ist besser als sich sinnlos abzumühen, und doch ist das keine Lösung der Ausgangsparadoxie.

 

Was "tun"?

Ich würde Ihnen empfehlen, falls das bei Ihnen so oder so ähnlich abläuft, IFS nicht mit sich selbst allein zu machen, sondern mit jemandem, der Ihnen beisteht und Ihnen sozusagen sein "Selbst" leihen kann. Wenn Sie dennoch mit sich selbst "Solo-IFS" machen wollen oder aus finanziellen Gründen müssen, hier ist ein  radikaler Weg aus dem oben beschriebenen Dilemma:

Radikale Ehrlichkeit und das Zulassen der Sackgasse.

Manchmal ist das vollständige Annehmen des Nicht-Weiterkommens der mutigste Schritt. Wenn jeder Versuch, das Muster zu durchbrechen, wieder von dem Muster selbst betrieben wird und das natürlich nicht funktioniert, dann ist es vielleicht Zeit so richtig zu scheitern!

Anerkennen, dass Sie gerade nichts tun können, was nicht wieder Teil des Problems wäre. Der Therapiemacher-Teil ist einfach zu intelligent, um von Ihnen irgendwie überlistet zu werden. Jeder Versuch, Kontrolle loszulassen ist etwas was er für Sie durchführen will und so beisst sich die Katze in den Schwanz.

Das ist ein Totalversagen auf ganzer Spur!
Und hier taucht vielleicht eine neue Qualität auf! Nicht mehr kämpfen, nichts mehr lösen, nicht mehr „Selbst machen“. Sondern ehrlich anerkennen: „Ich bin in einer Sackgasse, und ich kann sie mit meinen Mitteln nicht verlassen.“


1. Die Kraft der Ohnmacht.

Der „Therapiemacher“ ist ein Zeichen von Intelligenz und Überlebenswillen Ihres Systems. Da ist kognitive Kraft, da ist der Wille, es zu schaffen. Er ist sehr stark! Stärker als Sie - jedenfalls jetzt in diesem Moment. Keine Technik wird funktionieren. Geben Sie auf! Weinen Sie vor Frust, wenn Ihnen danach ist! Erkennen Sie die Realität an! "Hit the wall"! Trauen Sie sich, denn alles andere hat nicht funktioniert. Halten Sie die Emotionen nicht zurück, die mit dem "Nicht-Gelingen" einhergehen. 

Wenn Sie sich im Kreis drehen und scheitern, sind Sie vielleicht gar nicht gescheitert – Sie sind vielleicht gerade auf dem allerwichtigsten Abschnitt Ihres Weges. Und der wird womöglich eine ganze Weile dauern. Sei's drum. So ist es eben.

Gibt es gar keine anderen Möglichkeiten?

Doch, es gibt bestimmt eine Menge. Aber sie funktionieren wahrscheinlich wirklich besser, wenn Sie das Aufgeben, das ich gerade beschreiben habe zugelassen haben. Das Scheitern. Das Aufgeben des Doch-Irgendwie-Versuchens.

Aber weil das schon sehr hart klingt und auch falsch verstanden werden kann (nämlich im Sinne von im Strudel der Verzweiflung herumwirbeln und sich doch noch gegen alles ehren wollen) deswegen hier noch einige weitere Ideen. Sie haben alle gemeinsam, dass sie keine klassischen IFS Techniken sind. Denn in dieser speziellen Konstellation funktionieren klassische Techniken eben nicht. Jedenfalls nicht, wenn Sie es alleine versuchen, und niemand Ihnen seine oder ihre Selbstenergie "leihen" kann.

2. "Blend harder"

Anstatt die Entschmelzung ("Unblending") von dem IFS-Macher Teil anzustreben, streben Sie doch mal das genaue Gegenteil an. Statt dass er Ihnen Raum gibt, geben Sie ihm noch mehr Raum! Wie wäre es, wenn dieser Teil so richtig angestrengt und so richtig absurd kontrollierend agieren dürfte? Er soll sich so richtig austoben! 

Oder er soll sich vor einem Gericht oder vor ungerechten Eltern verteidigen und seine Position richtig übertrieben und verzweifelt herausschreien! Oder Sie schreiben ganz unzensiert die schlimmsten Dinge auf, die der Teil herausschreien würde, wenn man ihn nicht in Ruhe lässt. Oder wenn der Teil sich in der Bar betrinken geht und dann mal so richtig vom Leder lässt, wie ein besoffener Kutscher.

Das sind alles nur Vorschläge, Sie können es ausgestalten wie Sie möchten. Aber bei dieser Idee geht es darum, dem Teil viel mehr Platz zu geben und ihn zu maximieren und bis ins Absurde zu übertreiben, statt ihn irgendwie minimieren oder zur Seite bitten zu wollen. Was bringt das? Die Chance, ihn so besser kennen zu lernen. Ihn besser zu verstehen. Aber ohne dass ein "Besser-Versteher" Teil das wieder übernimmt. Durch das "Theater" des Therapiemachers ist es gar nicht nötig einen Versteher-Teil einzuschalten! Alles kommt auch so an die Oberfläche. Naja, vielleicht. Es gibt da keine Garantien.

 

3. Schalten Sie auf kognitive Empathie um.

Bei kognitiver Empathie versetzt man sich in eine Person hinein und stellt sich vor, wie es ihr wohl gehen mag. Das ist normalerweise nicht das, was wir im IFS machen, doch in diesem Fall könnte man es probieren. Wie könnte das ungefähr gehen?

Zum Beispiel indem Sie sich quasi laut fragen: ""Wie muss es wohl sein, so hart zu versuchen, IFS mit sich zu machen, und es fast nie zu schaffen? Wie ist das für einen Menschen? Wie würde es mir da gehen?". Statt zu versuchen, Teile zu sehen und sie zu befragen, versetzen sich quasi in einen abstrakt gedachten Menschen hinein und stellen sich vor, wie das wohl für einen Menschen ist, wenn Dinge so laufen. Das ist kein Original IFS, aber Sie könnten versuchen, einfach auf dieser Ebene erstmal zu arbeiten, um so emotionales Verständnis für den Therapiemacher Teil und seine Situation zu entwickeln. Dann nähren Sie einfach dieses Gefühl des Verstehens und wahrscheinlich auch des Mitgefühls. Wenn nötig, die ganze Zeit auf dieser Ebene empathischer Perspektivübernahme.


4. Lassen Sie eine externe "Kraft" helfen. Oder Ihr "zukünftiges Selbst".

Wenn der Zugang zu eigener Selbstenergie oder zur Selbstenergie eines Therapeuten gerade nicht möglich ist, können Sie eine externe "Kraft" einladen, auf die Situation und alles was passiert zu schauen. Das ist eine Art Imagination, die da am Werke ist, aber wenn es funktioniert, ist es völlig OK, das Sie es sich "nur" vorstellen. 

Was könnte so eine externe Kraft sein? Es könnte Natur sein - das Gefühl des Waldes oder des einsamen Ozeanstrands - die Energie, die darin steckt und die Wirkung, die das auf unser System haben kann. Es konnten aber auch Personen sein - zum Beispiel eine Oma, die man hatte, die für Sie Qualitäten der Selbstenergie verkörpert. Wenn Sie Christ*in sind, könnte es auch Maria oder Jesus sein. Wenn Sie Buddhist*in sind, ist es vielleicht Tara oder der Dalai Lama. Oder - und das ist eine ganz besondere Vairante - Sie laden Ihr "Future Self" ein. Das Selbst das Sie in 15 Jahren sein werden; das sehr vieles geheilt hat, weiser ist, nachsichtiger und mit Liebe auf Sie jetzt "zurückblickt". Wissend dass es besser wird und dass Sie auf einem guten Weg sind.

5. Tun Sie den Teil in eine Person, die Sie mögen. 

Das klingt sehr seltsam. Aber was soll's? Das funktioniert in etwa so: statt in sich selbst zu kämpfen und auf engstem inneren Raum zu versuchen, irgendetwas herbeizuführen, "tun" Sie den Therapiemacher (oder um welchen Teil auch immer es gerade geht) in einen Menschen "hinein", den Sie lieben oder mögen. Natürlich mittels Vorstellungskraft. Es geht einfach darum, dass der Teil ein bisschen Abstand von Ihnen bekommt, aber ohne dass er weg muss. Es ist ein bisschen so, als hätten Sie ihn geklont und diesen Klon oder Zwilling in einem anderen Menschen imaginiert.

Was fühlen Sie JETZT diesem Teil gegenüber? Können Sie jetzt etwas besseren Zugang zu ihm bekommen? Diese Technik können Sie auf alle möglichen Teile anwenden, nicht nur auf den Therapiemacher-Teil. Zum Beispiel auf Teile, die Sie nicht mögen, oder die Ihnen anderweitig Probleme im IFS Prozess bereiten.

Und schließlich, eine vorerst letzte Idee. Jetzt wird es vielleicht ein bisschen sehr subtil. Aber ich kann ja mal versuchen, es zu beschreiben:


6. Zum "Gewahrsein hinter dem Gewahrsein" werden.

Es ist, erstmal wie eine Art Meditation, weniger wie eine IFS Session. Und zwar probieren Sie, alles was Sie erleben als Erleben zu erleben. Puh. Das klingt seltsam. Was soll das heißen? Es ist doch eh alles Erleben. Wenn es erlebt wird, ist es Erleben. Was soll es sonst sein?

Ja genau! Und genau das lassen Sie auch zu: alles was passiert ist Erleben und Sie erleben es als solches. Also nicht als "Wahrheit", sondern als "Hmm, Ich erlebe Gedanken", nicht als "Ich versuche hier XY", sondern "Ahh, Da ist ein Erleben von Versuchen", nicht sich als den Sprecher eines inneren Monologs erleben, sondern das Monologisieren als Erlebnis in Gewahrsein. Fahren Sie einfach fort, das zu probieren. Und auch dieses weiter probieren ist wahrscheinlich als Erleben erlebbar. Alles ist ein Erleben. Wirklich alles. Nichts, was sich wahrnehmen lässt ist irgendetwas anderes als Erleben. Auch nicht diese Ich-und zwischen Kontraktion hinter den Augen, die sich so anstrengt. Wenn Sie die erleben können, ist sie auch Erleben.

Es geht hier NICHT darum, alles als "bloß Erleben" zu relativieren. Nur weil es Erleben ist, muss es noch lange nicht falsch oder irreal sein! Darum geht es nicht! Wenn sich was relativiert, ist es auch OK, aber das ist hier nicht der Punkt! Was ist aber der Punkt? 

Es ist eigentlich viel besser, wenn Sie es einfach selbst erfahren, statt es vorab erklärt zu bekommen. Aber soviel sei vielleicht verraten: worum es geht, ist das, was alles Erlebte erlebt. Dieses, was alles Erlebte erlebt, kann seinerseits nicht erlebt werden. Und dort ist die Quelle von Selbstenergie.

 

Es gibt bestimmt noch mehr Ideen, aber es braucht ja nicht mehr Ideen, sondern es reicht ja die eine, die bei Ihnen etwas auslöst. Ich hoffe, da war jetzt schon etwas für Sie dabei.